Kurschatten eingefangen?

Kuraufenthalt und die Vorfreude auf Entspannung

Endlich hat man den Arzt seines Vertrauens überzeugen können. Rasch sind die Koffer gepackt, und natürlich müssen auch die elektronischen Medien mit, damit es nicht allzu langweilig in der Kuranstalt wird. Bevor es losgeht, wird der beinahe volljährigen Tochter noch ein Kuss auf die Backe gedrückt und der pubertäre Sohn darauf hingewiesen, dass er nichts anstellen solle und noch weniger sein Mobiliar in Brand stecken. Ein Dackelblick in die Richtung der treuherzigen Ehefrau, und voller Vorfreude auf die gesamte zu erwartende Entspannung verlässt man das mit gepumpter Kohle erbaute Eigenheim in zehnter Reihe zum See mit den Worten: „Liebling, wir hören uns.“

Ankunft in der Kuranstalt

Kaum angekommen, richtet man sich in der Kuranstalt ein, als würde man seine erste Singlewohnung beziehen. Endlich Ruhe. Endlich eine kleine Ehe-Auszeit. Klar hat man ein Leiden, vielleicht am Kreuz. Doch möglicherweise handelt es sich auch nur um einen schmerzfreien Zustand, über den man als Betroffener behaupten kann, dass Schmerzen vorhanden sind. Mediziner müssen ihrem Patienten Glauben schenken. Umso glaubwürdiger ist die Lage, wenn da doch eine Verkrümmung oder etwas Ähnliches vorliegt. Trotz dieser kleinen Unannehmlichkeiten ist die Freude über den Kuraufenthalt riesig.

Die neue Freiheit genießen

Was unternehmen also die meisten Patienten, wenn nicht gerade Therapie auf dem Tagesplan steht? Sie erkunden die Gegend, gehen aus und genießen die neu gewonnene Freiheit.

Treffen mit anderen Kurgästen

Frei von Alltagsproblemen trifft man sich mit anderen Kurgästen. Gemeinsam geht man zum Essen, legt Spaziergänge ein und nimmt an Spiele-Abenden teil – und schon hat man sich verliebt. Das frisch verliebte Pärchen schleicht heimlich durch die Gänge, um gemeinsame Nächte zu verbringen. Diese nächtlichen Wanderungen gelingen meist problemlos, denn die Angestellten, vom Portier bis zur Nachtschwester, sind bestens mit dieser Situation vertraut und drücken gerne beide Augen zu, wenn sie Patienten bei ihren nächtlichen Abenteuern entdecken. Nach dem Kuraufenthalt kommt das Unvermeidliche: der Konflikt mit all seinen Facetten. Im Idealfall verläuft es so, dass der Kur-Seitensprung als Kurschatten bezeichnet wird.

Definitiv kein Kurschatten

Die fälschliche Verwendung des Begriffs Kurschatten tritt dann auf, wenn der Seitensprung nichts mit der Kur zu tun hat. Ein Beispiel: Ein vermeintlich treuer Ehemann, ein Mittvierziger, befindet sich auf Kur, die er nicht wirklich benötigt, und hat es geschafft, geschickt dorthin zu kommen. Er arbeitet im Büro und hat einige Außendienst-Tage. Außerdem praktiziert er Calisthenics und besucht regelmäßig das Fitnesscenter. In der Umgebung der Kuranstalt sucht er nach einem Fitnesscenter oder Trainingspark, um nicht aus dem Training zu geraten. Außerhalb des Kurcenters lernt er eine Frau kennen, der zu Beginn des Kennenlernens nicht die volle Wahrheit gesagt wird. Die Geschichte entwickelt sich wie gewohnt weiter, aber da diese Bekanntschaft nichts über a) den Kuraufenthalt und b) die Ehe wusste, ist sie kein Kurschatten, sondern ein normaler Seitensprung, ein klassisches Beispiel für „vorsätzliches Fremdgehen“.

Begegnungen in der Umgebung

In unserer Gegend, etwa in Bad Sauerbrunn und Waldegg, gibt’s Kuranstalten, und wie es der Zufall will, trifft man beim Sport oft auf Patienten, die mit dem Charme eines Dackels hinter einer Leberwurst her einem ganz eigenen Spiel nachgehen. Sobald man mit ihnen ins Gespräch kommt, plaudern sie freimütig über alles, was sie dem Arzt verschweigen und erst recht nicht ihrer Ehefrau erzählen würden. Sie strahlen vor Freude, wenn sie von ihren heimlichen Abenteuern berichten und davon erzählen, wie sie es geschafft haben, sich auch fürs nächste Jahr wieder einen Kurplatz zu sichern!

Das Spiel mit dem Kurschatten

Wir werfen jenen Ehefrauen, die wissen oder glauben, dass ihrem Ehemann ein Kurschatten passiert sein könnte, einen bedauernden Blick zu, erheben jedoch trotzdem amüsiert unser Gläschen auf alle neuen Seitensprünge und flunkernde Ehemänner mit einem fröhlichen *Chin*Chin*.